Ein Experteninterview ist eine wissenschaftliche Methodik. Es gibt die Möglichkeit, tiefgehende Einsichten und Fachwissen direkt von führenden Experten in einem bestimmten Bereich zu erlangen. Für den Erfolg dieser Methode sind die Planung, Durchführung und Auswertung sowie die Schlüsselaspekte besonders relevant. In diesem Beitrag erfährst du alles, was du wissen musst, um ein Experteninterview durchzuführen.
Definition: Experteninterview
Das Experteninterview gehört zu den Leitfadeninterviews und wird mit Personen durchgeführt, die über spezifisches Wissen oder Erfahrungen in einem bestimmten Bereich oder Thema verfügen. Diese Methode zielt darauf ab,
- tiefgründige Einsichten,
- detaillierte Informationen und
- fundierte Meinungen
von Fachleuten zu gewinnen, die aufgrund ihrer beruflichen Position, ihrer Forschungsarbeit oder ihren speziellen Kenntnisse als Experten auf ihrem Gebiet angesehen werden.
Das Ziel eines Experteninterviews ist aber nicht nur Fakten zu sammeln, sondern auch die Perspektiven, Interpretationen und Bewertungen der Experten zu verstehen.
Ob du dich für ein strukturiertes, unstrukturiertes oder teilstrukturiertes Interview entscheidest, ist abhängig von den Forschungszielen und der gewünschten Flexibilität bei der Gesprächsführung. Meist wird ein Expterninterview als semistrukturiertes Interview druchgeführt.
Das Experteninterview ist charkterisiert durch:
- Forschungsproblem aus einem spezifischen Fachbereich
- Fragen zu einem spezifischen Fachbereich
- Befragte Person verfügt über Fachkenntnisse in dem spezifischen Fachbereich
Fakten
Die folgende Tabelle liefert dir eine gute Übersicht über alle relevanten Fakten zum Experteninterview.
Erklärung | |
Das Experteninterview zählt zu den qualitativen Forschungsmethoden. Die Zielgruppe dieser Interviewform sind Experten. Im Fokus stehen dabei die Kenntnisse, Perspektiven und Handlungsweisen der Experten und weniger die befragte Person an sich. | |
Einsatz |
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Ablauf | 1. Schritt: Leitfaden für das Experteninterview erstellen 2. Schritt: Experten akquirieren 3. Schritt: Datenerhebung und -erfassung 4. Schritt: Auswertung und Datenanalyse |
+ Detaillierte Informationen können gewonnen werden + Hoher Informationsgehalt, da offene, freie Antworten möglich + Geringere Verweigerungshaltung, da Fokus auf Fachwissen und nicht Person |
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Risiken | - Experten wollen oder dürfen ihr Wissen nicht preisgeben - Experten äußern nur allgemeine Informationen - Umfangreiche Vorbereitung notwendig; schwierige Auswertung → hoher Zeitaufwand |
Einsatzgebiete
Experteninterviews werden in verschiedenen Situationen eingesetzt. Eine mögliche Situation, in der diese Interviewform eingesetzt wird, ist, wenn die verfügbare Literatur zu einem Thema knapp ist.
Eine weitere Situation, bei der du einen Experten interviewen kannst, ist bei der Auseinandersetzung mit einem hochspezifischen Thema, dessen Komplexität ohne die Einblicke von Experten schwer zu erfassen ist.
Auch bei der Analyse vom Verhalten bestimmter Personengruppen ist ein Interview mit einem Experten hilfreich, weil du dadurch eine tiefere Einsicht in die Verhaltensmuster erlangst.
Generell können Experteninterviews in folgenden Situationen eingesetzt werden:
- Wenig verfügbare Fachliteratur (z. B.: sehr aktuelles Thema)
- Behandlung eines sehr spezifischen Themas
- Analyse bestimmter Personengruppen
- Einholen von Meinungen, Einschätzungen oder Beurteilung einer fachkundigen Person
Schritt-für-Schritt-Anleitung zur Durchführung
Eine Schritt-für-Schritt-Anleitung kann dir dabei helfen, ein gutes Experteninterview durchzuführen, um wertvolle Einblicke zu bekommen, die durch andere Forschungsmethoden schwer zu erreichen sind. Sei dir jedoch darüber bewusst, dass die Aussagen von den persönlichen Perspektiven der Experten beeinflusst sein können.
1. Leitfaden erstellen
Damit du einen Leitfaden für dein Experteninterview erstellen kannst, musst du dich zuallererst in das Thema einarbeiten und demnach selbst zum Experten des Forschungsgebiets werden. Hiernach ist es hilfreich, einen theoretischen Hintergrund anzufertigen, mit dem du bei der Datenanalyse den Inhalt der aufgezeichneten Gespräche vergleichen kannst. Im Anschluss daran kannst du passende Fragen für das Interview formulieren und sie in eine sinnvolle Reihenfolge bringen.
Während du einen Leitfaden erstellst, solltest du dir auch Gedanken über die Interviewform machen, denn davon ist die Art und Weise, wie das Wissen der Experten eingeholt wird, abhängig. Um den Experteninterview-Leitfaden zu testen, solltest du vorher einen Pretest durchführen und dann eventuell Änderungen vornehmen.
Formen eines Experteninterviews
Die Vorbereitung für ein Experteninterview beginnt mit der Entscheidung für die Form des Interviews, vorangestellt von der Wahl zwischen einem qualitativen oder quantitativen Interview. Während du bei einem qualitativen Interview offene Fragen formulierst, die Raum für ausführliche Antworten lassen, basiert ein quantitatives Interview auf vorgegebenen Antwortoptionen.
Es gibt fünf Interviewformen, die du in Erwägung ziehen kannst:
- Strukturiertes Interview: Diese haben einen festgelegten Fragenkatalog, der in genau der gleichen Reihenfolge und Formulierung bei jedem Interview angewendet wird.
- Unstrukturiertes Interview: Hierbei gibt es keinen festgelegten Fragenkatalog. Der Interviewer hat nur die zu besprechenden Themen vorgegeben, deshalb ähnelt diese Form einem natürlichen Gespräch.
- Semistrukturiertes Interview: Diese Form ist eine Mischung aus strukturierten und unstrukturierten Interviews, also quasi ein teilstrukturiertes Interview. Es gibt einen Leitfaden mit Fragen, der jedoch Flexibilität im Gesprächsverlauf ermöglicht, sodass auf interessante Punkte tiefer eingegangen werden kann.
- Narratives Interview: Bei narrativen Interviews steht das Erzählen von Geschichten im Vordergrund. Die Interviewten werden ermutigt, ausführlich und frei über ihre Erfahrungen zu sprechen. Der Interviewer interveniert nur minimal, um den Erzählfluss zu erhalten.
- Problemzentriertes Interview: Diese fokussieren sich auf ein spezifisches Problem oder Thema. Sie kombinieren Elemente aus strukturierten und unstrukturierten Interviews, indem sie offene Fragen zu einem bestimmten Problem stellen, um detaillierte Informationen zu erhalten.
2. Vorbereitung
Für die Vorbereitung eines Experteninterviews ist eine gezielte Auswahl von Experten für dein Thema wichtig. Es gibt mehrere Möglichkeiten, um die richtigen Experten für dein Forschungsvorhaben zu finden. Manche besuchen Veranstaltungen an Universitäten oder in Unternehmen und wiederum andere verteilen Flyer, damit Experten auf sie aufmerksam werden. Du kannst jemanden auf Social Media, per E-Mail oder telefonisch kontaktieren, dabei ist es jedoch wichtig, eine kurze Skizzierung des Forschungsthemas anzuhängen.
Außerdem ist es relevant schon vorab nach Hintergrundinformationen, wie dem Alter oder der Betriebszugehörigkeit, mithilfe eines Fragebogens zu fragen, damit du dir sicher sein kannst, dass du den für dich richtigen Experten ausgewählt hast und damit du eine Vergleichbarkeit für die Auswertung bekommst.
Experte
Ein Experte charakterisiert sich durch ein detailliertes und spezialisiertes Fachwissen auf einem Gebiet. Ein Experte ist dann geeignet für ein Experteninterview, wenn er mehrere Jahre Erfahrung auf dem für dich relevanten Forschungsgebiet und nicht nur in einem verwandten Forschungsgebiet gesammelt hat.
Wenn du dir unsicher bist, ob die Person, die du interviewen möchtest, ein Experte ist, dann ließ dir unseren Beitrag zur Definition eines Experten durch.
In der folgenden Tabelle wird veranschaulicht, dass Experten nicht immer Forscher sein müssen.
Prozessanpassungen eines Unternehmens durch Digitalisierung | Arbeitnehmer mit zehnjähriger Betriebszugehörigkeit und Beschäftigung in der betriebsinternen Prozessoptimierung. | Arbeitnehmer, der seit über 10 Jahren ausschließlich in der Produktion arbeitet. |
Kulturelle Einflüsse auf den Unternehmenserfolg in China und Deutschland | Kulturwissenschaftler, die sich seit Jahren insbesondere mit der asiatischen und deutschen Wirtschaftskooperation auseinandersetzen. | Personen, die ihre Kindheit in China verbracht haben und vor 10 Jahren nach Deutschland gezogen sind. |
Zusammenhang zwischen Migrationshintergrund und Studienerfolg | Dozenten, die seit 10 Jahren Studierende betreuen, unterrichten und beurteilen. | Dozenten, die seit einem Semester einen Lehrauftrag haben, jedoch noch keine Arbeiten korrigiert haben. |
Sprachliche Kompetenzen von zweisprachig aufwachsenden Kindern | Sprachwissenschaftler, die seit Jahren im Bereich Sprachförderung forschen. | Sozialforscher, die sich mit der allgemeinen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen beschäftigen. |
3. Durchführung
Du hast die Möglichkeit, das Gespräch per Telefon, via E-Mail oder persönlich zu führen. Wähle die Methode, die dir am besten erscheint, aber frage auch den Experten nach seiner bevorzugten Kommunikationsform.
Beginne dein Interview mit einer kurzen Vorstellung, worin du deinen Namen, die Institution, das Thema und den Fokus des Forschungsprojekts vorstellst, erkläre zusätzlich, wie die Ergebnisse verwendet werden. Im Anschluss daran solltest du sicherstellen, dass der Experte dir das Einverständnis zu dem Experteninterview und seine Einwilligung zur Aufzeichnung des Gesprächs und zur Verwendung der Daten schriftlich gibt.
Dann beginnt das Interview, indem du deinem Leitfaden folgst, sei jedoch auch offen für Exkurse oder tiefere Einblicke, die über die geplanten Fragen hinausgehen. Da solche Interviews auf Augenhöhe ablaufen, ist eine gute Vorbereitung wichtig, damit du inhaltlich folgen kannst.
Beachte außerdem, dass das Interview einem Alltagsgespräch gleichen soll und keinem Verhör. Wenn dir aber manche Antworten zu allgemein oder unpräzise sind, kannst du natürlich Verständnisfragen stellen. Kontroversere Themen solltest du erst am Ende ansprechen, damit die Zeit für andere Fragen noch ausreicht.
Zum Schluss bedankst du dich bei dem Experten für die Teilnahme und informierst über dein weiteres Vorgehen. Hier siehst du ein Beispiel, wie du zum Abschluss des Interviews vorgehen kannst.
Einwilligungserklärung für das Experteninterview
Um den Experten richtig zitieren zu können, benötigst du eine Einwilligungserklärung für dein Interview. Die Einwilligungserklärung sollte den Namen des Forschungsprojektes oder Seminars sowie eine Beschreibung der Ziele des Projektes enthalten. Auch solltest du die Fachrichtung deiner Forschung kurz vorstellen und zwei bis drei zentrale Fragen des Experteninterviews beschreiben.
Zudem solltest du die Zusicherung der diskreten Behandlung der erhobenen Daten geben. In unserem Beitrag «Einwilligungserklärung für dein Interview» kannst du dir eine Vorlage herunterladen, ausdrucken und von deinem Experten unterschreiben lassen.
4. Auswertung
Transkribiere das Experteninterview am besten, um das Interview auswerten zu können. Danach kannst du bei der Inhalts-analytischen Auswertung die Aussagen codieren, einzelne Themen identifizieren und die gewonnenen Erkenntnisse in Bezug auf deine Forschungsfrage auswerten.
Formuliere dazu textnahe Überschriften, vergleiche die Themen unterschiedlicher Interviews miteinander oder stelle einen Vergleich zu einem zuvor erarbeiteten Konzept auf. Du kannst die Vergleichbarkeit unabhängiger Experteninterviews durch die in der Vorbereitungsphase erhobenen Zusatzinformationen beurteilen.
Zum Schluss fasst du die Ergebnisse zusammen und interpretierst sie im Kontext deiner Forschungsfrage.
Vor- und Nachteile
Wenn du ein Experteninterview für deine Bachelorarbeit durchführen möchtest, solltest du ausreichend begründen können, warum du dich für diese Methode entschieden hast. Dafür kann es hilfreich sein, zuerst den Forschungsstand auf deinem Forschungsgebiet aufzuarbeiten und eventuelle Forschungslücken oder noch wenig untersuchte Fälle zu finden.
Danach kannst du überprüfen, welche Vorgehensweise in anderen Forschungsarbeiten zu einer ähnlichen Problemstellung gewählt wurde. Wenn dort Experteninterviews eingesetzt wurden, solltest du dies hinterfragen. Falls keine Interviews mit Experten verwendet wurden, kannst du schauen, welche andere Methode stattdessen verwendet wurde.
Zuletzt solltest du noch die Vor- und Nachteile beziehungsweise Potenziale und Risiken eines Experteninterviews reflektieren. Zusätzlich ist es wichtig, dass du erklärst, warum es sich bei der Auswahl deiner Personen um Experten handelt. Es ist nur sinnvoll, Personen zu befragen, die schon über eine längere Zeit hinweg Erfahrungen zu deiner Forschungsfrage gesammelt haben.
Vorteile | Nachteile |
Aussagen können unmittelbar vertieft werden | Experten wollen ihr Wissen nicht immer preisgeben |
Hohe Flexibilität im Gesprächsverlauf | Kaum statistische Aussagekraft |
Geringe Verweigerungshaltung durch Fachbezug | Hoher Zeitaufwand |
Hoher Informationsgehalt der Antworten | Gefahr nur allgemeine Informationen zu erhalten |
Hohe Nachvollziehbarkeit der Argumente | Subjektivität kann Ergebnisse beeinflussen |
Häufig gestellte Fragen
Ein Experteninterview ist eine qualitative Forschungsmethode, bei der ein Interview mit einer Person geführt wird, die aufgrund ihrer spezialisierten Kenntnisse, Erfahrungen oder Positionen tiefgehende Einblicke in ein bestimmtes Thema bieten können.
Es dient dazu, detailliertes Wissen und spezifische Informationen zu sammeln, die für die Beantwortung von Forschungsfragen relevant sind.
Ein Experteninterview ist besonders sinnvoll, wenn spezifisches Fachwissen oder tiefgehende Einblicke in ein bestimmtes Thema benötigt werden, die nur von Personen mit umfassender Erfahrung oder besonderer Expertise bereitgestellt werden können. Es eignet sich außerdem, wenn qualitative Daten zur Unterstützung oder Erweiterung von Forschungsfragen, Hypothesen oder Theorien gesammelt werden sollen. Du kannst das Experteninterview auch einfach zur Bekräftigung deiner selbst formulierten Thesen nutzen.
Wie lange dein Interview dauert, hängt von deinem Leitfaden ab. Eine vorgegebene Dauer existiert nicht. Gehe aber vor dem eigentlichen Experteninterview deine Fragen durch und schätze ab, wie lange die Beantwortung der jeweiligen Frage dauert. Vergiss nicht, dass du das gesamte Experteninterview noch auswerten musst; halte dich also selbst so kurz wie möglich und stelle nur relevante Fragen.
Du hast jegliche Freiheit bei der Anzahl der Fragen, du solltest jedoch bedenken, dass zu viele Fragen den Interviewpartner ermüden könnten und sich das Gespräch in die Länge ziehen kann. Stelle konkrete Fragen, die du für die Beantwortung deiner Forschungsfrage benötigst und plane mit ein, dass der Experte Zeit braucht, um auf diese zu antworten.
Das Experteninterview ist eine strukturierte Variante des Leitfadeninterviews und wird häufig in Bachelorarbeiten oder Masterarbeiten als qualitative Forschungsmethode eingesetzt. Ein Experteninterview wird dann als Experteninterview bezeichnet, wenn der Interviewte eine Person mit speziellem Fachwissen ist und zu diesem Fachbereich befragt wird.